Ein Auszug der Kritiken und Interviews auf der HP von "Zip". Dank an Zip.


Ringsgwandl (30.1.94)

»Die Woch' fangt scho' wieder guat o'.« Das waren die letzten Worte des Matthias Kneißl, als er an einem Montag des Jahres 1902 zur Hinrichtung geführt wird. Doch der bayerische Robin Hood Kneißl ist nur einer der Antihelden, die seit kurzem die Songs von Georg Ringsgwandl bevölkern. Nachdem er noch auf seiner letzten Tournee als schräger Bühnenclown, verstärkt durch eine sich immer mehr von bloßer Begleitfunktion emanzipierenden Band, bösartige Satiren zum besten gab, überraschte der Musiker, Songschreiber und Kabarettist im Sommer '93 mit einer CD auf der er musikalisch schlichte, geradezu besinnliche Songs zur Gitarre vorträgt.

Und so beginnt auch sein Programm letzten Samstag im ausverkauften Kaiserslauterner Kulturzentrum »Kammgarn« - musikalisch kongenial ergänzt durch den Gitarristen Nick Woodland. »Staffabruck« heißt der Titel und das ist auch der Name des Dorfes in dem Ringsgwandl aufgewachsen ist. Von dort bezieht er den Stoff für seine Geschichten über die kleinen Leute, die Verlierer und Außenseiter. Der Alois Ringsgwandl ist auch so einer: mit zwölf Jahren hatte der Cousin von Georgs Vater die Nase voll von den Demütigungen, die er als uneheliches Kind einer Magd aushalten mußte und büxt aus nach Paris, wo er sich mit Schuhplattlern über Wasser hält.

Ringsgwandls Protagonisten erkennen zwar, daß irgend etwas schiefläuft mit ihrem Leben, doch sie haben sich damit abgefunden: »Ja was sag' I Inge, das is' der Gang der Dinge.« und auch der Vater weiß für seinen Sohn keine bessere Antwort: »Es gibt Leut' die verdiene ihr Geld beim Schlafen drin im Bett, aber vergiß net Bua: zu dene gehörst du net.«

Ist Georg Ringsgwandl konservativ? Feministinnen und moderne Pädagogen mögen zum Protest ansetzen, wenn der Sänger den Tod seiner Oma bedauert, von der er zwar manche »Watschn« kassiert hat, die aber immer ein leckeres Essen gekocht hat. Doch das Eigentliche worauf es Ringsgwandl ankommt ist »sie war a guate Haut«.

Wahr ist, daß der Künstler von einer unwiederbringlich verlorenen Vergangenheit erzählt, doch das tut er nur, weil es zufällig seine Vergangenheit ist. Der Wirkung seiner Geschichten würde es keinen Abbruch tun, wenn sie in der Gegenwart, in einem anderen Land oder in der Zukunft spielen würden. Und diese Wirkung beruht darauf, daß Ringsgwandl sich jeden Kommentar verkneift und einfach nur erzählt. Am Zuhörer liegt es, daraus Schlüsse zu ziehen.

Erst im zweiten Teil des zweieinhalbstündigen Auftritts, weiß das Publikum dann wieder, daß es auf der richtigen Seite steht: die altbekannten rotzigen Ringsgwandl-Satiren stehen nun im Mittelpunkt: zwar wesentlich unterhaltsamer, aber nicht unbedingt künstlerisch überzeugender, als die »G'schichten« aus Staffabruck.


Der alte Spötter kann's nicht lassen: Gerade erst die Bühne des Kaiserslauterner »Kammgarn« verlassen, weiß Musiker und Kabarettist Georg Ringsgwandl auch im Interview bissige Seitenhiebe auszuteilen. Aber auch Hintergrundinformationen zu seinem neuen Programm blieb der Oberarzt aus Garmisch nicht schuldig.

SZ: Im Konzert eben gab es ja zwei Teile, die ich mal mit »Ringsgwandl der Erzähler« und »Ringsgwandl der Spötter« überschreiben möchte. Ist der weniger satirische Teil des Programms der »neue« Ringsgwandl oder wolltest Du nur einmal Deine beiden Seiten präsentieren?
Ringsgwandl: Das Letztere; das ist einfach eine andere Seite von mir. 1977/78 hab' ich schon einmal versucht solche ruhigen Songs auf Kleinkunstbühnen zu machen, aber das war damals so, daß das nicht auf große Gegegenliebe gestoßen ist. Weil's natürlich eine ganz andere Art und Weise ist ein Lied zu machen, als dieses extrem aufgekratzte und rotzige Zeug, was ich so in den letzten Jahren gemacht hab', womit ich bekannt geworden bin. Das ist eine andere Seite, die ich schon immer gehabt habe, aber die einfach lange Zeit kein Schwanz hören wollte. Und dieses Jahr hab' ich's dann einfach mal gemacht. Ich wollt' diese Platte mit diesen Songs schon immer mal machen. Und da hat dieses andere grelle, aufgekratzte, wirklich überdrehte Zeug, was natürlich sehr spektakulär und sehr öffentlichkeitswirksam war, das hat dadurch mal ein bisserl Ruhepause. Also ich werde jetzt meinen Lebensabend nicht damit beschließen, daß ich bloß noch dezente Gitarrenabende gebe.
SZ: Im satirischen Teil Deines Programms hast Du über die Wohnmobilurlauber gelästert. Wieviele Wohnmobilbesitzer, glaubst Du, saßen heute im Publikum?
Ringsgwandl: Viele! Klar das Publikum beklatscht sich dann auch selbst, aber das hat zwei Seiten. Auf der einen Seite kann man sagen, was soll dieses ganze satirische Zeug, wenn die Leute einfach alles beklatschen, wenn Du die Leute praktisch mit gar nichts mehr zwicken kannst. Das ist das Unbefriedigende, das Unschöne dabei. Auf der anderen Seite, ist es doch ein positiver Vorgang, wenn Leute irgendwo hingehen, wo einer ihrer Alltagszustände geschildert wird, sie das erkennen und sie lachen dann über sich selbst. Das verändert jetzt nicht die Welt nachhaltig, aber das ist ein positiverer Vorgang, als wenn jetzt z.B. 70 000 beim »Genesis«-Konzert hocken. Es ist nicht so, daß der Kabarettist die Welt verändert, aber es ist ein Unterschied, ob es jetzt nur Akklamationskünstler gibt, nur kommerzielles Zeug oder ob es ein paar Leute gibt, die a bisserl rotziger sind.
SZ: Aber klingt nicht trotzdem inzwischen in Deinem Programm ein bißchen Resignation durch?
Ringsgwandl: Nein, das ist keine Resigna tion, sondern das ist so, daß ich glaube, daß das gängige deutsche Wortkabarett, bei allen Verdiensten und bei aller Wichtigkeit und bei allem Positiven, die diese Gattung in unserem verhurten Kulturbetrieb einfach hat, daß dieses Kabarett einfach Ausdruck einer grundlegenden Fehleinschätzung ist. Ich sag's jetzt mal ganz kraß: ich glaube, daß dieses ganze SPD- und DGB-gekaufte Kabarett ein grundlegender Irrtum ist. Weil, es ist einfach eine widerliche Veranstaltung, wenn ein Kabarettist, der 30% seines Jahreseinkommens durch SPD-Parteiveranstaltungen bezieht, vor einem pseudo-aufgeschlossenen Publikum Kohlwitze macht und die klatschen alle. Ich war schon immer gegen die Kohlwitze gewesen, weil ich's einfach für einen zu billigen Scherz halte. Die Politik ist ein ganz klein bisserl komplizierter, als daß irgendein dahergelaufener Volksschullehrer, der meint, er macht einen kritischen Scherz das besser machen könnte. Deshalb glaube ich, daß das eine Selbstüberschätzung is'. Ich bin ja ganz a zynische, ironische Sau, aber ich glaub' nicht, daß es so billig geht, wie es der normale deutsche Wortkabarettist so macht. Der muß mir erst mal erklären, was jetzt der Unterschied zwischen dem Geißler und dem Scharping is'. Und ich glaube auch, daß die jüngere Generation von Leuten, die so 20 oder 25 sind, daß die nicht in ein normales Kabarett reingehen, daß die schon wesentlich weiter sind und wissen, daß sich dort nicht gesellschaftliches Weiterdenken abspielt. Das ist ja Unsinn unsere gesellschaftlichen Konflikte immer noch als den Unterschied zwischen CDU und SPD darzustellen. Ich glaub' diesen Krampf nicht. Das ist für mich keine Resignation: ich glaub' nicht an das Engagement von irgendwelchen engagierten linken Lieder machern. Das ist Sozialromantik, das ist einfach ein Irrtum.
SZ: Heißt das daß Du das Politische ganz aus Deinem Programm 'raushalten willst?
Ringsgwandl: Nein, nein, ich bin ja nicht unpolitisch oder sowas. Ganz im Gegenteil, ich habe ganz dezidierte Vorstellungen über Politik, aber ich weiß, daß ich kein Politiker bin. Ich würd' mich nie dazu aufschwingen und sagen: »Alle herhören, jetzt kommt der Ringsgwandl und sagt Bescheid, wo's 'lang geht« Ich kann vielleicht dem einen oder dem anderen Politiker eine Frage stellen die ihn irgendwo zwickt, aber ich würd' mir nie anmaßen zu sagen, daß die alle blöd sind. Deshalb werd' ich auch keine Wahlkampf auftritte machen. Es ist nicht die Aufgabe von einem Künstler, der sich irgendwie als kritisch versteht, irgendwelche Machtträger zu zementieren. Ein Künstler hat da nichts zu suchen.
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